Wenn man sich selbst vergisst...

Ich wundere mich, dass ich seit zwei Jahren relativ häufig krank bin - nichts Ernsthaftes, sondern meistens grippale Erkältungen, die mich ein paar Tage schachmatt setzen. Und eigentlich gab und gibt es für diese Erkältungen keinen auf den ersten Blick erkennbaren Grund. Doch jetzt ist mir klar geworden, womit dies alles zusammen hängt.

Wenn man sich selbst vergisst, treten genau diese Krankheiten auf den Plan, damit man sich selber wieder spürt. Meistens heißt das dann zwangsläufig, ein paar Gänge zurück zu schalten, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Und sich dann, in dieser Situation, wieder zu spüren. Je mehr man sich vergessen hat, je mehr man weder auf seine innere Stimme noch äußere Anzeichen geschaut hat, um so stärker treten diese Krankheiten auf. Und sie wollen nichts anderes, als das Lot wieder herstellen.

Gotland (Foto: Beat Pfändler)
Gotland (Foto: Beat Pfändler)

Jetzt, wo ich mich gerade im Anfangsstadium einer solchen Erkältungssache befinde, versuche ich, durch bewusstes Sein ein Fortschreiten der Symptome zu verhindern. Liebe Erkältung, ich habe dich verstanden, und zwar jetzt schon, nicht wie sonst erst nach drei oder fünf Tagen. Also - ein Gang zurück, ein Meeting abgesagt, und ein Schritt nach dem anderen in vollem Bewusstsein jedes dieser Schritte. Ein Wort, ja - ein Buchstabe nach dem anderen, und langsam wieder das eigene Tempo erkennen und aufnehmen. Was so schwer fällt.

Kanu-Eis (Foto: Beat Pfändler)
Kanu-Eis (Foto: Beat Pfändler)

Meist bin ich drei bis fünf Schritte voraus, denke an viele Sachen gleichzeitig und bin durchaus in der Lage, das alles zu organisieren. Aber gesund ist das natürlich nicht, und genau das habe ich jetzt wieder gespürt. Es geht also darum, sich nicht selbst zu vergessen - nicht mehr, nicht weniger. Statt 100 m nach vorne nur 5 m nach vorne zu schauen, dafür aber mit aller eigenen Intensität, aus der eigenen Mitte heraus. Wie lange weiß ich, dass Erschöpfungen nicht in erster Linie damit zusammen hängen, WAS man tun, sondern WIE man was tut. Ein kleines Geheimnis, das es in jeder Minute dieser Zeit zu verstehen gilt. WIE mache ich was? Bin ich bei mir, bin ich bei der Sache, die ich gerade tue, oder bin ich schon im Geiste ganz irgendwo anders, während mein Körper und mein Tun noch hier ist?

Es gibt eine Übung, mit der man sich sein inneres Getriebensein und sein unbewusstes Tun vergegenwärtigen kann: Man gehe einen Gang, den man ganz oft macht - wie z. B. den täglichen Gang zum Briefkasten, zum Bäcker etc. - gaaaanz langsam. Schritt für Schritt. Und konzentriere sich auf diesen Gang, auf die Bewegung der Füße, die Geräusche des Gehens, die Gewichtsverlagerung von einem Fuß auf den anderen, das Geräusch der Türklinke und so weiter. Normalerweise bin ich mental schon beim Zeitunglesen, wenn ich mich auf dem morgendlichen Weg zum Briefkasten befinde - und diese Übung zeigt mir dann, wie sehr ich mich wieder von mir entfernt habe, wie sehr ich mich wieder vergessen habe.

Foto: Rosi von Dannen (pixelio.de)
Foto: Rosi von Dannen (pixelio.de)

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Kommentare: 2
  • #1

    Klaus (Montag, 14 April 2014 14:58)

    Hallo Heinz! Schau Dir dazu mal die Doku auf Arte an: Speed - Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - eine Philosophie der Entschleunigung.

  • #2

    Halsschmerzen (Dienstag, 18 November 2014 11:30)

    Erkältungen sind lästig ;-)

    Aber zum Glück schnell wieder vorbei.